„Hallo Papa“
Tim sprang die Treppe vom Hauseingang herunter und lief seinem Vater entgegen.
Dieser war eben heimgekommen und schloss die Garage ab.
„Hallo, Tim mein Junge“
„Papa, weißt du schon? Das Christkind kommt heute früher als sonst.“
„Aha, woher weißt du das?“
„Na von Opa“ Tim strahlte ihn begeistert an.
Herr Friedrich sah etwas säuerlich zu ihm runter.
„Opa möchte nur wieder früher nach Hause. Woher sollte er auch wissen wann bei uns das Christkind kommt. Das sagt normal immer die Mama.“
„Aber Opa sagt, das Christkind muss mittlerweile früher anfangen, weil es immer mehr Pakete hat, und Ali sagt es auch.“
Herr Friedrich blieb stehen und sah nach unten zu Tim.
„Ali?“
„Ja Ali.“
„Wer ist Ali?“
„Na mein Freund.“
„Und wie heißt er?“
„Ali“
„Ja natürlich, und wie noch?“
„Ali Mehmet und noch etwas, aber das kann ich mir nicht merken.“
„Geht er mit dir in den Religionsunterricht?“
„Nein, Ali geht in eine andere Kirche. Er sagt die ist viel cooler.“
„Was in Gottes Namen ist bei denen cooler?“
„Na, da müssen alle die Schuhe ausziehen. Er und Erkan verknoten dann immer mal fremde Schuhe miteinander oder verstecken ein Paar. Dürfen sich aber dabei nicht erwischen lassen.
Und alle sitzen auf dem Boden. Und er muss schon lernen, ein Buch rückwärts zu lesen. Stell dir das mal vor.“
Tim sah an ihm hoch und bewegte den Kopf anerkennend hin und her.
Herr Friedrich zog die Augenbrauen nach oben und erklärte:
„Tim, er liest das Buch nicht rückwärts, sondern das ist so geschrieben.“
„Ein Buch das rückwärts geschrieben ist? Wozu?“
„Äh, das erzähl ich dir ein andres Mal. Aber vom Christkind hat er sicher keine Ahnung, zumindest nicht viel.“
Herr Friedrich sah zum Hauseingang und schmunzelte vor sich hin.
„Hat er wohl. Er sagt sein Vater wäre mit dem Christkind verwandt, weil er dem helfen darf.“
Herr Friedrich drehte sich langsam zu Tim.
„Verwandt? Aber das Christkind hat doch keine Verwandten. Wie kommt ihr denn auf so was?“
Er beugte sich zu Tim und sah ihn mit großen Augen an.
„Kevin sagt das auch.“ erwiderte Tim mit ernster Miene.
„Kevin? Wer zum … äh, wer ist denn jetzt Kevin?“
„Er hat mit seinen Eltern in Amerika gelebt. Dort kommt immer nur der Nikolaus.
Kevin meint, das wäre wohl der Onkel vom Christkind. Der Nikolaus und das Christkind teilen sich alles auf, weil einer alleine das ja nie schaffen könnte. Schließlich müssen sie die Geschenke alle erst vom Nordpol holen. Aber der Nikolaus braucht ja nicht so viele Verwandte wie das Christkind. Er hat ja einen furchtbar schnellen Rennschlitten.“
Er demonstrierte mit einer schnellen Armbewegung die Geschwindigkeit und drehte sich um seinen eigene Achse. Dabei ahmte er kreischend das Geräusch eines zwölf Zylinder Ferraris nach.
„Tim, Tim, Tim, du bringst, du, äh.., da bringst du ein paar Sachen durcheinander.“
Herr Friedrich überlegte krampfhaft wie er diese Verwandtschaftsverhältnisse entknoten könnte.
„Äh, Tim, Kevins Vater kann nicht mit dem Christkind…“
„Alis Vater.“
„Äh, ach ja, der kann erst recht nicht… sieh mal, die sind alle nicht verwandt. Sonst wären sie womöglich auch noch mit dem Osterhasen verwandt.“
Tim schüttelte sich vor Lachen:
„Das weiß doch jeder, dass der Osterhase keine Verwandten hat.“
Er kicherte, lachte und sah zu seinem Vater hoch. Dieser verzog einen Mundwinkel nach unten und sagte herablassend: „Der Osterhase hat naturgemäß mehr Verwandte als das Christkind, der Nikolaus und Ali`s und Kevin`s zusammen. Glaub mir das mein Sohn.“
„Wie meinst du das?“
„Das erkläre ich dir später mal.“
Tim sah in rätselnd an.
Herr Friedrich blickte zum Hauseingang und hoffte das Innere noch vor Einbruch der Nacht zusammen mit seinem Sohn zu erreichen.
„Dann wollen wir mal sehen, ob diese Verwandtschaftsmischpoke ein paar ordentliche Geschenke für dich gebracht hat.“
Er lächelte seinen Sohn an, nahm ihn bei der Hand und ging mit ihm zur Treppe.
„Papa was ist eine Mischpoke?“
„Das erklärt dir deine Mutter.“ Abermals musste er schmunzeln.
„Ach Tim, wo arbeitet denn Ali`s Vater?“ fragte er als sie die Stufen zum Eingang hoch stiegen.
„Bei UPS“
Wir wünschen ein frohes Weihnachtsfest
Karl und Angelika Rian
Weihnachten 2020, Text: Karl Rian